Covid-19-bedingte Mängel und Störung der Geschäftsgrundlage in der Gewerbemiete

Die Corona-Pandemie samt dem von staatlicher Seite angeordneten Lockdown führt bei vielen Geschäftsraummietern zu Umsatzeinbrüchen. Hierauf reagierte der Gesetzgeber zunächst, indem er mit Wirkung zum 01.04.2020 ein Kündigungsmoratorium für Wohn- und Gewerbemiete einführte, nach welchem der Vermieter auf einen Mietrückstand aus den Monaten April bis Juni 2020 keine ordentliche oder außerordentliche Kündigung stützen durfte. Eine Regelung, die den Mieter von seinen Zahlungspflichten entbindet, hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht getroffen.

Erste, im Jahr 2020 ergangene Gerichtsentscheidungen lehnten überwiegend ein Covid-19-bedingtes Minderungsrecht sowie eine Störung der Geschäftsgrundlage, die den Mieter zur Vertragsanpassung berechtigen würde, ab.

Hierauf reagierte der Gesetzgeber, indem er mit Wirkung zum 31.12.2020 regelte, dass bei vermieteten Gewerbeflächen, die in Folge von staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen verwendbar sind, eine gesetzliche Vermutung gilt, dass sich ein Umstand, der zur Grundlage des Vertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

Den Umfang der Mieterrechte im Zusammenhang mit der Pandemie sowie die möglichen Auswirkungen der Gesetzesänderung zum 31.12.2021 haben wir nachfolgend für Sie dargestellt.

Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich jederzeit gerne zur Verfügung.

Ihr
KNP-Team

A. Überblick

Seit Beginn der Covid-19-Pandemie haben Mieter die Mietzahlung ganz oder teilweise verweigert und sich hierbei unter anderem auf einen zur Mietminderung berechtigenden Mangel und/oder auf eine zur Vertragsanpassung berechtigende Störung der Geschäftsgrundlage berufen. Die Mehrzahl der bislang veröffentlichten Gerichtsentscheidungen haben ein auf die Covid-19-Pandemie gestütztes Recht des Mieters auf Mietminderung oder Vertragsanpassung verneint. Lediglich einzelne Gerichtsentscheidungen haben solche Rechte des Mieters angenommen.

Der Schwerpunkt der Gerichtsentscheidungen und der Diskussion in den juristischen Fachveröffentlichungen konzentriert sich auf die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Beeinträchtigungen durch die Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB darstellen, die dem Mieter einen Anspruch auf Vertragsanpassung bzw. ein Recht zur Kündigung vermittelt.

B. Mietminderung auf Grund von Mängeln

Weist ein gemieteter Geschäftsraum einen nicht nur unwesentlichen Mangel auf, so ist der Mieter berechtigt, die Miete zu mindern (§ 536 Abs. 1 BGB). Hiermit sind jedoch im Zusammenhang mit Covid-19 bislang nur wenige Mieter durchgedrungen.

Zwar haben einzelne Gerichtsentscheidungen angenommen, dass staatlich angeordnete Schließungen von Ladengeschäften als öffentlich-rechtliche Beschränkung der Nutzbarkeit der Mietsache einen Mangel begründen, welcher den Mieter zur Minderung der Miete berechtigt.

Die meisten der bislang veröffentlichten Gerichtsentscheidungen verneinen jedoch einen Mangel und damit ein Minderungsrecht des Mieters und begründen dies damit, dass öffentlich-rechtliche Beschränkungen der Nutzbarkeit der Mietsache nur dann einen Mangel darstellen würden, wenn diese an die konkrete Lage oder Beschaffenheit der jeweiligen Mietsache anknüpfen. Dies sei bei flächendeckenden Schließungsmaßnahmen nicht der Fall.

C. Störung der Geschäftsgrundlage

Die im Gesetz (§ 313 BGB) geregelte Störung der Geschäftsgrundlage ist eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass Verträge einzuhalten sind.

Im Fall einer Störung der Geschäftsgrundlage hat der Mieter einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages. Insbesondere kann dies eine Stundung oder eine Herabsetzung der Miete oder ein Recht zur Kündigung sein. Hierbei muss der Mieter nicht zunächst eine Zustimmung des Vermieters zur Vertragsanpassung verlangen, sondern kann gleich die Rechte geltend machen, die sich seiner Ansicht nach aus der Vertragsanpassung ergeben.

Ein Anspruch des Mieters auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage hat folgende Voraussetzungen:

1. Eine wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage.

Voraussetzung ist eine wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage. Die Geschäftsgrundlage sind die gemeinsamen Vorstellungen von Vermieter und Mieter, die nicht ausdrücklich zum Vertragsinhalt geworden sind und auf die sich der Geschäftswille der Parteien aufbaut. Gleichermaßen sind Vorstellungen einer Partei Geschäftsgrundlage, wenn sie für die andere Vertragspartei erkennbar waren und nicht beanstandet wurden.

Im Regelfall dürften bei der Gewerbemiete zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beide Vertragsparteien die Vorstellung haben, dass die Immobilie ab einem bestimmten Zeitpunkt dem Vertragszweck entsprechend genutzt werden kann und sich keine aus einer Pandemie ergebenden Beeinträchtigungen und insbesondere keine Nutzungsuntersagungen ergeben. Somit sind sich aus der Covid-19-Pandemie ergebende Beeinträchtigungen eine Änderung der Geschäftsgrundlage.

In Abhängigkeit von Schwere und Dauer der Beeinträchtigung kann eine solche Beeinträchtigung wesentlich sein.

2. Kein Vertragsschluss bei Kenntnis von der Änderung der Geschäftsgrundlage

Sodann verlangt eine Störung der Geschäftsgrundlage, dass die Parteien bei Kenntnis von der Veränderung der Geschäftsgrundlage den Vertrag nicht geschlossen hätten. Diese Frage lässt sich im Regelfall nur hypothetisch beantworten, da sich die Parteien zumeist zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu dieser Frage nicht geäußert haben.

3. Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag

Eine Störung der Geschäftsgrundlage hat ferner zur Voraussetzung, dass das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar wäre.

An dieser Voraussetzung sind bislang die meisten von Mietern geltend gemachten Ansprüche auf Vertragsanpassung gescheitert.

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Festhalten am unveränderten Vertrag für den Mieter dann zumutbar ist, wenn die Umstände, die sich verändert haben, in seinen Risikobereich fallen. In der Gewerbemiete trifft nach Ansicht der Rechtsprechung das Risiko, die Mietflächen zum vertraglich vereinbarten Mietzweck tatsächlich nutzen zu können (sog. Verwendungsrisiko), grundsätzlich den Mieter. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vertragsparteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Eine solche Vereinbarung kann eine ausdrückliche Vereinbarung beispielsweise über das Risiko höherer Gewalt sein (sog. force-majeure-Klausel). Vereinbarungen über das Verwendungsrisiko können jedoch ebenfalls stillschweigend in anderen mietvertraglichen Vereinbarungen liegen. Beispielsweise kann die Vereinbarung einer Umsatzmiete dahingehend auszulegen sein, dass sich der Vermieter am Verwendungsrisiko des Mieters beteiligt und dies auch hinsichtlich pandemiebedingter Beschränkungen gelten soll.

Ferner hat die Rechtsprechung teilweise verlangt, dass der Mieter darlegt, dass das Festhalten am unveränderten Vertrag für ihn eine wirtschaftliche Existenzbedrohung darstellt.

D. Gesetzliche Vermutung

Mit dem am 31.12.2020 in Kraft getretenen Art. 240 § 7 EGBGB hat der Gesetzgeber eine gesetzliche Vermutung eingeführt. Wenn der Mieter darlegt, dass die gemieteten Räume infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen nutzbar sind, so wird vermutet, dass sich ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

Ausweislich des Wortlauts dieser Regelung und ausweislich der Gesetzesbegründung bezieht sich die Vermutungswirkung allein auf die nach Vertragsschluss eingetretene wesentliche Veränderung der Geschäftsgrundlage (vgl. vorstehend lit. B Ziffer 1). Eine solche gilt als eingetreten, wenn der Mieter zumindest eine erhebliche Einschränkung der Nutzbarkeit des Mietgegenstands aufgrund staatlicher Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung vorgetragen hat. Der Vermieter kann dies jedoch widerlegen.

Die Vermutungswirkung bezieht sich jedoch nicht darauf, dass der Mieter den Mietvertrag bei Kenntnis von der Störung der Geschäftsgrundlage nicht geschlossen hätte (vgl. vorstehend lit. B Ziffer 2) und nicht auf die Unzumutbarkeit des Festhaltens am ursprünglichen Vertrag (vgl. vorstehend lit. B Ziffer 3). Bei den meisten bislang veröffentlichten Gerichtsentscheidungen scheiterte die mieterseits behauptete Störung der Geschäftsgrundlage jedoch daran, dass das Gericht nicht von einer Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ausging, weil nach der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung das Verwendungsrisiko den Mieter traf oder der Mieter nicht darlegen konnte, dass ihm eine wirtschaftliche Existenzbedrohung droht.

Mithin dürfte die unmittelbare Wirkung der gesetzlichen Vermutung einer Veränderung der Geschäftsgrundlage gering sein. Möglicherweise geht jedoch noch eine mittelbare Wirkung von der Gesetzesänderung aus. Ausweislich der Gesetzesbegründung dient die Einführung der gesetzlichen Vermutung dazu, „in der Praxis teilweise bestehende Unsicherheiten zu beseitigen und die Verhandlungsposition der Gewerbemieter zu stärken“. Möglicherweise werden die Gerichte daher die Gesetzesänderung als Apell des Gesetzgebers verstehen, die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage künftig großzügiger zu handhaben.

E. Beschleunigungsgebot für Prozesse

Der Gesetzgeber hat weiterhin § 44 EGZPO geändert. Verfahren über Anpassungen der Miete oder Pacht für Grundstücke und Geschäftsräume im Zusammenhang mit staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln. In solchen Verfahren soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.

Dies dürfte zu einer merklichen Beschleunigung von Rechtsstreitigkeiten führen. Sowohl der Umstand, dass die Gerichte keine schriftlichen Vorverfahren durchführen sollen, wie auch das Gebot einer raschen Terminierung dürften zu einer schnelleren Klärung von Konflikten führen.

F. Zusammenfassung und Ausblick

Die Gerichte waren bislang recht zurückhaltend, Mietern die Kürzung ihrer Mietzahlungen zu gestatten. Es ist fraglich, ob dies so bleiben wird.

Je länger die Pandemie dauert und die Geschäftsraummieter durch deren Folgen beeinträchtigt sind, desto eher könnten Gerichte eine Störung der Geschäftsgrundlage annehmen. Möglicherweise werden die Gerichte auch die jüngste Gesetzesänderung als Apell des Gesetzgebers verstehen, die Voraussetzungen für einen mieterseitigen Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage weniger streng zu handhaben.

Ob der Vermieter berechtigt ist, die volle Miete zu verlangen, dürfte auch nach der Gesetzesänderung zum 31.12.2020 eine Frage des Einzelfalls bleiben. Forderungen werden sich daher dann erfolgreich abwehren oder durchsetzen lassen, wenn sorgfältig und auf den konkreten Einzelfall bezogen argumentiert wird.

Diese Zusammenfassung dient dazu, einen ersten Überblick über die Rechtslage zu geben. Eine Haftung für Vollständigkeit und Richtigkeit wird nicht übernommen. Mit dieser Zusammenfassung ist kein Rechtsrat verbunden und sie ersetzt keine auf den Einzelfall bezogene Beratung.

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